Dr. Klaus Miehling über Birand Bingül: Ein Propagandist warnt vor Propaganda

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Der Autor kann auf eine bemerkenswerte Karriere bei der ARD zurückblicken; jenem Sender, der 2017 ein „Framing Manual“ in Auftrag gab, dessen Zweck darin bestand, den Mitarbeitern Hilfestellung bei der „Rahmung“ (framing), der Inhalte zu leisten, kurz: eine Anleitung zur Propaganda. 2020 wurde er Leiter der ARD-Kommunikationsabteilung.

Ein Experte, um vor Manipulation und Propaganda zu warnen, ist er also gewiss. Doch die Propagandisten, die Manipulatoren, die Populisten das sind natürlich immer die anderen; in diesem Fall: Trump, Orbán, Erdoan, die AfD, kurz: die „Rechten“. Nur eine Ausnahme macht der Autor: die linksextreme griechische Partei „Syriza“, die aber nur kurz erwähnt wird, quasi als Feigenblatt.

Seltsame Definition
Sehr speziell ist Bingüls Definition einer „Propagandapartei“: Deren „alleiniger Daseinszweck“ sei „Macht um der Macht willen“ (S. 14). Nun hat man dies aber ausgerechnet Angela Merkel vorgeworfen, die ihre Politik im Laufe ihrer langen Amtszeit ja in der Tat um 180 Grad (oder 360, wie Annalena Baerbock sagen würde) gedreht hat: Von pro Atomkraft zum Atomausstieg, von „Multikulti ist gescheitert“ zu „Wir schaffen das“ – und die große Mehrzahl ihrer Parteigenossen ging den Weg mit. Insofern müsste man die CDU nach Bingüls Definition als typisches Beispiel einer Propagandapartei heranziehen – es sei denn, man sieht doch eher eine Unterwanderung durch globalsozialistische Kräfte am Werk, also eine ideologische, nicht etwa eine opportunistische Richtungsänderung. Wenn Bingül behauptet, die CDU vertrete „das konservative Bürgertum“ (S. 20), hinkt er jedenfalls der Realität um zwei Jahrzehnte hinterher.

Charakteristisch für eine Propagandapartei sei des weiteren, dass sie behaupte „für alle da zu sein“ (S. 32). Doch welche Partei tut das nicht? Außerdem sei eine solche Partei „über oder neben – auf jeden Fall außerhalb – des Parteiensystems platziert“ (S. 33). Bingül meint hier offenbar das traditionelle Links-Rechts Schema, hat er doch kurz zuvor bemerkt, dass die AfD vorgebe, „aus dem Korsett des Links-Rechts-Schemas auszubrechen“; sie sei „weit rechts, reklamiert aber für sich, es nicht zu sein“ (S. 32). Abgesehen davon, dass der Autor damit ignoriert, dass sich die Positionen der AfD kaum von denen unterscheiden, welche die großen Volksparteien noch vor zwei bis drei Jahrzehnten vertreten haben, widerspricht er sich: Nach seiner Definition einer Propagandapartei könnte die AfD als eine solche eben nicht „weit rechts“ sein, weil sie sich damit in das Parteiensystem einordnen würde. Darüber hinaus ist es höchst fragwürdig, das zweidimensionale Links-Rechts-Schema, für das es zudem keine klare Definition gibt, als einzig legitim anzusehen und Parteien dafür zu kritisieren, wenn sie sich nicht darin einsortieren lassen.

Grundsätzlich entbehrt es der Logik, eine „Propagandapartei“ über etwas anderes als das Anwenden von Propaganda zu definieren. Propaganda betreiben jedoch alle Parteien. Man denke nur an die Energiewende, das Klimanarrativ, die Impfkampagne und das Einschwören gegen den „Feind“ Russland!

Framing
Als „raffiniertere“ Methode der Propaganda nennt Bingül das „Framing“ (S. 38), wobei er natürlich nicht erwähnt, dass sein eigener Sender das eingangs genannte „Framing-Manual“ in Auftrag gegeben und über die Kritik daran den Begriff erst ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gebracht hatte. Als Beispiele werden – erwartungsgemäß – nur Begriffe aus dem rechten Spektrum wie „linksgrün versifft“ angeführt; der Autor stößt sich sogar am Begriff „Altparteien“, der ganz objektiv die seit Jahrzehnten existierenden Parteien von der noch jungen AfD unterscheiden soll. Wie soll man diese Unterscheidung sonst vornehmen? Etwa so, wie es diese Parteien selbst tun, wenn sie selbstgerecht von sich als „demokratische Parteien“ sprechen und damit der AfD (manchmal auch der Linken) eine demokratische Gesinnung absprechen? Aber dieses „Framing“ kritisiert Bingül genauso wenig wie beispielsweise den Begriff „umstritten“, der fast ausschließlich gegen konservative und libertäre Persönlichkeiten und Standpunkte ins Feld geführt wird, um sie ins Zwielicht zu rücken; wo es doch so gut wie keinen politischen Standpunkt gibt, der nicht umstritten wäre, was die Vokabel zur nichtssagenden Floskel werden lässt.

Entsprechend werden von Bingül auch die Begriffe „Volksverräter“ und „Volksfeind“ kritisiert, nicht aber „Rechtspopulist“, „Feind der Demokratie“ oder „Delegitimierer des Staates“, womit heute jene bedacht werden, die Regierungsentscheidungen kritisieren.

Das Opfer wird zum Täter gemacht
Wenn es um Meinungsaustausch und Diskussion geht, von Bingül „metakommunikative Integration genannt“, werden im Buch die realen Verhältnisse geradezu auf den Kopf gestellt. Kaum eine Norm werde von „Propagandist:innen so grundlegend“ gebrochen wie diejenige der „Perspektivenvielfalt“ (S. 41). Es sind jedoch im Gegenteil jene, die der Autor (wenn auch zu Unrecht) vom Vorwurf ausnimmt, Propagandisten zu sein, welche diese Norm brechen und die „cancel culture“ eingeführt haben: Beginnend mit dem Netzdurchsetzungsgesetz, über die Ausladung oder Nichtzulassung unliebsamer Redner, die Verweigerung von Räumlichkeiten, die Zensur kritischer Stimmen zu Coronapolitik und mRNA-Impfungen, bis hin zur einseitigen Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender, bei denen, es sei daran erinnert, Bingül selbst arbeitet. Der vermeidet den Begriff „cancel culture“ übrigens, denn das würde den Leser sofort an die wahren Urheber der Ausgrenzung Andersdenkender erinnern; sind es doch fast ausnahmslos Regierungskritiker, die Oper dieser „Kultur“ werden.

Auf den Kopf gestellt werden die Verhältnisse auch beim Umgang mit der AfD: „Die Meinungsfreiheit sei vom Mainstream untergraben worden. Dabei haben die Partei und ihre Anhänger:innen nichts ungesagt gelassen. Sie wurden nicht am Sprechen gehindert. Nichts wurde unterdrückt. Vielmehr sind es die AfD und ihre Sympathisant:innen, die dem Rest ihre Meinung aufoktroyieren wollen, keine andere Meinung gelten lassen und – speziell im Netz – Andersdenkende niederbrüllen (lassen) und Gewaltfantasien, Gewalt, und, ja, auch Mord Vorschub leisten oder gutheißen. Ein Spiegelreflex par excellence“ (S. 65).

Dem Spiegelreflex unterliegt Bingül selbst. Denn es sind die Altparteien, die keine anderen Meinungen gelten lassen und deshalb entgegen aller zuvor gültigen demokratischen Spielregeln die Zusammenarbeit mit der AfD verweigern. Deren Mitglieder sind öfter gewalttätigen Angriffen ausgesetzt als die aller anderen Parteien zusammen. Nicht Meinungen des „Mainstream“ werden im Netz zensiert, sondern solche von Regierungskritikern. Bankkonten von kritischen Journalisten werden gekündigt. In den Talkrunden der öffentlich-rechtlichen Medien ist die AfD weit unterrepräsentiert. Immer wieder muss sie gerichtlich durchsetzen, Räume für ihre Veranstaltungen nutzen zu können. Menschen, die ähnliche Positionen wie die AfD vertreten, werden ausgeladen, gekündigt, geächtet. Gewalt geht bei Demonstrationen fast immer von linken (Gegen-)Demonstranten aus.

Bingül vertritt offenbar eine zynische Auffassung von Meinungsfreiheit, die beinhaltet, dass man zwar alles sagen dürfe, aber dafür die entsprechenden Konsequenzen zu tragen habe. Eine Art von „Meinungsfreiheit“, die es auch in China und Nordkorea gibt.

Verschwörungsbehauptungen
Wenn es um Propaganda geht, müssen natürlich auch „Verschwörungsbehauptungen“ thematisiert werden. Dass Bingül diesen Begriff demjenigen der „Verschwörungstheorie“ vorzieht, ist auch ein Framing, denn er klingt fragwürdiger. Eine solche Verschwörungsbehauptung sei das „Thema Corona-Impfung“ (S. 52), auf das Bingül zwar nicht weiter eingeht, womit aber nur die Warnung vor den mRNA-Impfstoffen gemeint sein kann. Nun, das Buch erschien im Februar 2023, und die Zusammenhänge zwischen Impfwellen, Übersterblichkeit und Geburtenrückgang wurden im Laufe der beiden letzten Jahre immer deutlicher.

Es lohnt sich, Bingüls Schema, wie Propagandaparteien zur Verbreitung einer Verschwörungsbehauptung vorgehen, vollständig zu zitieren (S. 53): „1. Zunächst wird ein angeblich skandalöses Ereignis benannt oder ein untragbarer Zustand markiert. 2. Im nächsten Schritt werden die Schuldigen verkündet. 3. Es wird eine nahende Dystopie beschrieben. 4. Zuletzt wird behauptet, dass sofortiges Handeln geboten sei, um das Land zu verteidigen oder wahlweise die Welt zu retten.“

Als konkrete Beispiele folgen die illegale Migration in die USA (mit Verweis auf Trump natürlich), die Bedrohung durch China (wieder Trump), der Brexit, die Umvolkung in Europa sowie, als historischer Rückblick (Achtung, Framing!) die vermeintliche Judengefahr im Nationalsozialismus.

Mich jedenfalls hat das vierstufige Schema Bingüls sofort an das Klimanarrativ erinnert: 1. Untragbarer Zustand: Der Klimawandel bedroht unsere Zivilisation. 2. Schuldige: die Industrienationen mit ihren Emissionen. 3. Nahende Dystopie: Anstieg des Meeresspiegels, Stürme, Dürre, noch mehr Migration, Zerstörung und Tod. 4. Sofortiges Handeln geboten: Energiewende, CO2-Besteuerung, Verbrennerverbot, Energiesparauflagen, Milliardenhilfen an ärmere Länder.

Und ganz vorne bei der Panikmache mit dabei: Bingüls Propagandasender ARD. Eine Verschwörungsbehauptung sei es laut Bingül auch, dass George Soros „Zuwanderung im großen Stil befürworten soll“ (S. 72). Scheinheilig argumentiert der Autor, „dass Soros weder in Ungarn noch in der EU realen Einfluss auf die Zuwanderungspolitik hat. […] Soros äußert sich lediglich zu politischen Fragestellungen und vertritt seine Meinung.“

Ja, genauso wie die Pharmaindustrie keinen realen Einfluss auf die Impfstoffbeschaffung hat! Ist das Naivität oder bewusste Propaganda? Weiß Bingül nicht, dass Soros den größten Teil seiner Milliardenvermögens den Open Society Foundations übertragen hat, zu welcher auch die International Migration Initiative gehört?

Und selbstverständlich verwendet Bingül auch das seine Wirkung nie verfehlende Framing des Antisemitismus, um die „Lügengeschichte“ der „Umvolkung“ zu diffamieren. Er sollte zur Kenntnis nehmen, dass der Anteil der ausländischen Bevölkerung in Deutschland seit 2011 Jahr für Jahr ansteigt (trotz der vielen Einbürgerungen), während seit 2016 Jahr für Jahr über 200.000 Deutsche ihrer Heimat den Rücken kehren, weil sie es satt haben, für ihre Leistung mit den weltweit höchsten Steuern und Abgaben bestraft zu werden. Und die Politik tut alles, damit diese beiden Entwicklungen anhalten. Das soll keine Umvolkung, kein Bevölkerungsaustausch sein? Thilo Sarrazin hat es schon 2010 vorgerechnet und dabei noch weit unterschätzt, weil damals nicht abzusehen war, zu welch selbstmörderischer Zuwanderungspolitik die Regierungen Merkel und Scholz noch fähig sein würden.

Und weiter geht es mit Bingüls eigener Propaganda: Trump habe seine Anhänger zum Sturm auf das Kapitol „animiert“, und die paar fahnenschwenkenden Demonstranten auf den Stufen des Reichstags werden zu einem „Sturm auf den Berliner Reichstag“ aufgeblasen (S. 82), als sei das mit den Ereignissen in Washington, wo die Menschen in das Kapitol eindrangen und am Ende mehrere Tote zu beklagen waren, gleichzusetzen. Die Aussage zu Trump relativiert Bingül übrigens später selbst, als er von „nur einigen vagen Sätzen“ spricht (S. 98).

Verzerrung der Verhältnisse
Die „propagandistische Ideologie“ fordert Opfer. Von „digitalen Hetzjagden“ ist die Rede, zum Beispiel gegen den Virologen Christian Drosten (S. 84). Keinen Gedanken verschwendet Bingül an jene Virologen und Ärzte, die wegen Kritik an den Corona-Maßnahmen und den sogenannten Impfungen geächtet und teilweise sogar juristisch verfolgt wurden, oder an regierungskritische Journalisten und Wissenschaftler, die täglich Hassbotschaften bis hin zu Morddrohungen erhalten und in Netzportalen wie PSIRAM oder in Wikipedia diffamiert werden. Der Biologe Clemens Arvay nahm sich deswegen das Leben – wenige Tage nach Erscheinen von Bingüls Buch. Natürlich gibt es Anfeindungen auf beiden Seiten, doch die meisten Opfer gibt es stets bei denen, die nicht den Regierungsnarrativen folgen, denn sie haben nicht nur den gewöhnlichen pöbelnden Internetnutzer, sondern zudem den ganzen Machtapparat des Staates gegen sich.

Das Konzept des Buches beruht auf zwei grundlegenden Fehlern: Erstens auf der unlogischen Definition einer „Propagandapartei“ als einer, der es nur auf „Macht um der Macht willen“ ankomme, zweitens auf einer Betriebsblindheit, welche die Propaganda der „anderen“ Parteien und der staatsnahen Sender völlig ignoriert.

Das sind Steinwürfe aus dem Glashaus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der das Vertrauen der Gebührenzahler durch Einseitigkeit und Skandale längst verspielt und mit seinen jüngsten Forderungen
nach einer erneuten Anhebung der Zwangsbeiträge den Bogen endgültig überspannt hat.

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